Keine Kuhpocken-Impfung, kein Zutritt, Impfpolitik anno 1836

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Vorschrift über die Kuhpocken-Impfung in den kaiserl. königl. Staaten vom 9. Julius 1836. Wien, 1836.

Vorschrift über die Kuhpocken-Impfung in den kaiserl.[ich] königl.[ichen] Staaten vom 9. Julius 1836. Wien: Aus der kaiserl.[ich] königl.[ichen] Hof- und Staats-Aerarial-Druckerei, 1836.

2°. 20 Seiten. Holzstich und Buchdruck auf 5 Halbbögen Büttenpapier, broschiert mittels zeitgenössischem Interimsrücken.

Seltene österreichische Gesetzesvorschrift zur Durchsetzung einer Impfkampagne gegen die Pocken.

Inhalt, Ausgabe: Nachdem die Pocken (auch Blattern) im 18 Jh. auch im Habsburgerreich zur häufigsten Infektionskrankheit geworden waren, die vor allem für Kinder tödlich sein konnte, führte Wien schon um 1800 als erste Stadt auf dem Kontinent die kurz davor in England erfolgreich erprobte Jenner'sche »Vaccination« ein. Die Impfskepsis in der Bevölkerung war jedoch groß, nicht zuletzt deshalb, weil die davor getestete Methode des Niederländers Ingen-Housz, genannt »Variolisation«, zu Komplikationen geführt hatte (Impfgeschädigte werden im Text eigens als „Varioloidenkranke“ bezeichnet).

Vorliegende behördliche Vorschrift aus dem Jahr 1836 sollte nun die Impfrate erhöhen helfen, wobei die Behörde zwar keine verpflichtende Impfung vorschrieb, aber vor einer Schlechterstellung der Kinder von die Vaccination verweigernden Eltern nicht zurückschreckte: „Ungeblatterte, welche nicht ein Certificat der überstandenen Kuhpocken-Impfung aufweisen können, sollen kein Stipendium erhalten, auch in kein öffentliches unentgeltliches Erziehungs-Institut u.s.w. aufgenommen werden können.“ Ebenfalls wurde solchen Eltern eine etwaige Armenunterstützung entzogen. (§ 13 lit d, S. 6) – Die Bestimmung erschien schon kurz nach ihrem Erlass auch als Broschüre und wurde vom Buchhandel vertrieben, u.a. bei Fritsch in Brünn und Haase in Prag.

Erhaltung: Titelseite mit kleinem, kaum sichtbaren Fleck, der Rückenstreifen am oberen und unteren eingerissen, sonst wohlerhalten.

Seltenheit: Als behördliche Publikation selten und gemäß WorldCat, KVK und OBSVG weltweit lediglich 4 Mal nachweisbar (Philadelphia [Penn Library]; Salzburg [UB]; Wien [ÖNB, WstLB].

Literatur: Ursula Wiedermann-Schmidt et al. (Hrsg.): Schutzimpfungen - rechtliche, ethische und medizinische Aspekte. Schriftenreihe Ethik und Recht in der Medizin, Bd. 11 (2016), Ss. 17f.